12. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Evangelium nach Lukas (9,18-24):

 

„Für wen haltet ihr mich?“, fragt Jesus. Wenn Jesus für uns der Christus, d.h. der „von Gott Beauftragte und Gesandte“ ist, dann ist es doch ganz wichtig auf das zu hören, was er uns zu sagen hat und auf seine Lebensweise, sein Verhalten, zu schauen. „Eines Tages war Jesus allein und betete“, heißt es im heutigen Evangelium. Sehr oft wird in den Evangelien gesagt, dass Jesus sich zurückzog um zu beten. Und eines Tages haben seine Freunde ihn sogar gebeten: „Lehre uns beten.“ Merkwürdig. Sie waren doch Juden, die die Gewohnheit hatten, dreimal täglich zu beten. Das werden auch sie getan haben. Warum bitten sie dann Jesus, er soll sie lehren zu beten?

Aus unserer Erziehung heraus haben wir oft die Vorstellung, dass beten heißt, bestimmte vorformulierte Gebetstexte zu sagen. Kann es sein, aber das ist nur eine kleine Möglichkeit. Dabei besteht dann natürlich die Gefahr, dass wir diese vorgegebenen Worte nur automatisch sagen, ohne darüber nachzudenken, was wir da eigentlich sagen - besonders wenn wir es gemeinsam mit anderen tun. Und dann entsteht leicht das Gefühl, dass beten „fad“ ist, ein Geplapper.

Jesus hat oft gebetet, die Stille gesucht, um „bei Gott“ zu sein, Gottes Gegenwart zu suchen und sich ihm anzuvertrauen. So hat Jesus seine Beziehung zu Gott, seinem Vater, gepflegt. Und das dürfte seine Freunde beeindruckt haben.

Unsere Beziehung zu Gott, unserem Vater, pflegen, indem wir uns Gott sprachlich anvertrauen, uns an ihn richten, ihn ansprechen. Es ist ja merkwürdig, aber im Alten Testament gibt es kein eigenes Wort für „Beten“, obwohl es dauernd geschieht, indem Menschen Gott loben, preisen, ihm danken, ihre Not und Angst ausschreien, ihre Zweifel aussprechen und Gott sogar Vorwürfe machen, weil er ihnen scheinbar nicht hilft. All das wird als „Beten“ dargestellt. Gott sagen, was wir auf dem Herzen haben, sowohl das, was uns freut, als auch das, was uns Sorgen macht, bei ihm Geborgenheit und Trost suchen, nicht ihn direkt um etwas bitten, und erwarten, dass er daraufhin eingreift und meine Wünsche erfüllt. Es ist eher wie bei einem Kind, das von seiner Mutter Trost und Geborgenheit erwartet, sich von ihr beruhigen lässt, obwohl sie seine Probleme eigentlich nicht lösen kann.

In diesem Sinne entsteht zwischen uns und Gott eine tiefe, intime Verbindung. Wir sprechen Gott, dem Herrn des Weltalls mit „Du“ an und wir sagen ihm alles, aber dann auch alles, was uns bedrückt, bewegt und beglückt. Wer das nicht (mehr) tut, wird sich von Gott entfremden. Gott wird nicht mehr Teil seines Lebens sein, eher nur am Rande seines Lebens stehen und auf die Dauer total im Hintergrund verschwinden. Wer nicht (mehr) betet, lebt auf die Dauer, als ob es Gott nicht gibt. Er hört auf, an Gott zu glauben. Deswegen kann man sagen: „Was der Atem für das Leben ist, ist das Beten für unseren Glauben an Gott.

Jesus zog sich regelmäßig in die Stille und Einsamkeit zurück und betete, wendete sich an Gott. Das müssen wir bewusst tun. Wir müssen es still werden lassen in uns, damit wir Gottes Anwesenheit spüren können. Sprechen wir zu Gott ohne zuerst still geworden zu sein, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir am Ende eine reines Selbstgespräch führen und nicht mit Gott in Verbindung treten. Die Krise des Gebetslebens besteht darin, dass der Verstand vielleicht voll von Gedanken über Gott sein mag, dass wir über ihn vielleicht sogar viel nachdenken und philosophieren, während unser Herz fern von ihm bleibt.

Ich wünsche Ihnen Freude am Beten.

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